Die Synagoge
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden die Gottesdienste der Weilburger Juden in verschiedenen Privathäusern statt. Doch all diese Räumlichkeiten erwiesen sich immer wieder als zu klein, nicht zuletzt deswegen, weil auch Juden aus Löhnberg und Waldhausen dem Gottesdienst beiwohnen wollten. Deswegen wurde der Bau einer Synagoge in Weilburg erstmals 1831 vorgeschlagen.
Bis die ersten konkreten Schritte getan wurden, sollten aber noch über zehn Jahre vergehen. Wahrscheinlich wurde die Einrichtung einer Synagoge in Weilburg durch die Neuordnung der jüdischen Unterrichts- und Kultusverhältnisse im Herzogtum Nassau entscheidend befördert: Im Jahr 1843 wurden im Herzogtum Nassau vier Rabbinatsbezirke gebildet, deren Zahl 1860 auf 3 reduziert wurde: Bad Ems, Wiesbaden und Weilburg. Seit 1843 bestand also der Rabbinatsbezirk Weilburg, zu dessen Bereich die Ämter Weilburg, Runkel, Rennerod, Herborn und Usingen gehörten. Weilburg wurde damit Sitz eines Bezirksrabbiners, dem vor allem die Aufsicht über den Kultus- und Religionsunterricht in allen jüdischen Gemeinden seines Bezirks oblag. Erster Bezirksrabbiner war Dr. Samuel Süßkind (1843 – 1844). Letzter Bezirksrabbiner war Dr. Elisäus Landau (1893 – 1924). Nach seinem Tod (1924) fusionierten die Rabbinatsbezirke Bad Ems und Weilburg, und es gab seitdem im Gebiet des ehemaligen Herzogtums Nassau nur noch die Rabbinatsbezirke Wiesbaden und Bad Ems.
Die Bildung des Rabbinatsbezirks Weilburg beförderte offensichtlich die Errichtung einer Synagoge. Denn im August 1843 erwarb die jüdische Gemeinde Weilburg von dem Bierbrauer Carl Rosenkranz den Gebäudeteil Nr. 2 von dem Gebäude Bogengasse 2/4, um darin eine Synagoge einzurichten. Das Gebäude war 1783 – 1785 als Husarenkaserne erbaut worden und diente als Wohn- und Dienstgebäude. 1829 kaufte der Bierbrauer Karl Rosenkranz das Gebäude. Die jüdische Gemeinde erwarb von ihm den Gebäudeteil Nr. 2, der durch Umbaumaßnahmen im Innern vom Gebäudeteil Nr. 4 abgetrennt wurde.
Die jüdische Gemeinde Weilburg musste die erheblichen Kosten für den Ankauf und die Umbauarbeiten allein bestreiten, sie nahm deshalb bei der Herzoglich Nassauischen Landeskreditkasse Wiesbaden einen Kredit von 4000 fl. auf. Die Ausbau- und Umbauarbeiten konnten in recht kurzer Zeit abgeschlossen werden, sodass die Synagoge bereits am 9. Mai 1845 einweiht werden konnte. Im Innern des Gebäudes wurde nicht nur die Synagoge eingerichtet, sondern auch eine Lehrerwohnung und ein Lehrzimmer. Die Synagoge erhielt außerdem eine Orgel. Zu den wertvollen Kultgegenständen gehörte u. a. eine Thorarolle mit prächtigem Silber aus dem 16. Jahrhundert, die aus Limburg stammte.
Die Einweihung der Synagoge am 9. Mai 1845 stellte einen denkwürdigen Tag in der Geschichte der noch jungen jüdischen Gemeinde Weilburg und der Stadt Weilburg dar, deswegen wurden die Namen aller damaligen Gemeindemitglieder in einer Akte festgehalten. Am Tag der Synagogeneinweihung zählte die Gemeinde Weilburg insgesamt 93 Mitglieder: in Weilburg 54 sowie in den „Filialorten“ Löhnberg 17, in Merenberg 18 und in Waldhausen 4 Mitglieder. Außerdem ließ die Gemeinde zur Einweihung ein Programmheft mit der umfangreichen Programmfolge drucken.
Die Synagogengemeinde Weilburg hatte damit ein Gemeindezentrum erhalten, das in den nachfolgenden Jahrzehnten für Gottesdienste und für den Religionsunterricht sowie für andere Zwecke der Gemeinde genutzt werden konnte. Viermal wöchentlich wurde Gottesdienst in der Synagoge gehalten: ein Gottesdienst am Freitag und drei Gottesdienste am Samstag.
Aus der Einrichtung der Synagoge ergaben sich für die Gemeinde Weilburg aber auch Folgelasten, die nun alljährlich anfielen. Dazu gehörten, neben den Kosten für die Unterhaltung des Gebäudes, vor allem Personalausgaben: Die Gemeinde musste einen Teil des Gehalts des Bezirksrabbiners übernehmen, weil dieser seinen Wohnsitz in Weilburg hatte. Und die Lehrer wurden ausschließlich von der Gemeinde bezahlt.
Über die Verhältnisse der Israelitischen Kultusgemeinde Weilburg ab 1933 liegen nur wenige gesicherte Daten vor: So ist nicht bekannt, wie lange noch Gottesdienste in der Synagoge abgehalten wurden. Denn von einem Gemeindeleben konnte angesichts ständig schrumpfender Mitgliederzahlen schon bald keine Rede mehr sein.
Im September 1938 wurde das Synagogengebäude zu einem unbekannten Preis an einen Weilburger Kaufmann verkauft und in den darauffolgenden Monaten zu einem Wohnhaus umgebaut. (Das Gebäude entging deshalb während der Reichspogromnacht 1938 der bereits geplanten Zerstörung.). Und die Gemeinde löste sich zum 31. Oktober 1938 auf.
Der Kaufmann Leopold Michel, der jahrzehntelang im Haus Marktplatz Nr. 12 ein Lederwarengeschäft betrieben hatte, wanderte Ende 1938 nach Palästina aus. In seinem Gepäck befand sich die Thora der Weilburger Synagoge, die seitdem in einer israelischen Synagoge verwahrt wird. Über den Verbleib der anderen Kultgegenstände ist dagegen nichts bekannt.
Das Gebäude Bogengasse Nr. 2 wird noch heute als Wohnhaus genutzt.

