Familie Wallach
Der Namensgeber der Familie, Adolf Wallach, war nicht aus Weilburg gebürtig, sondern stammte aus dem nordhessischen Breitenbach, bei Ziegenhain gelegen. Dort wurde Adolf Wallach 1892 geboren, er war Soldat im Ersten Weltkrieg und wurde mit dem Eisernen Kreuz dekoriert.
1919 kam er nach Weilburg, die Gründe hierfür sind unbekannt. 1920 heiratete er Frieda Arnstein, die ältere Tochter der Eheleute Siegmund und Rosa Arnstein. Siegmund Arnstein betrieb seit vielen Jahren im Haus Niedergasse 10 ein gut gehendes Textilgeschäft, Wallach trat in das Geschäft seines Schwiegervaters ein und wurde dessen Teilhaber.
Dem Ehepaar Wallach wurden zwei Töchter geboren: Margot (1921) und Irene, genannt Renée (1924). Adolf Wallach war bald, wie sein Schwiegervater, ein angesehener Weilburger Bürger: So gehörte er viele Jahre als Kassierer dem Vorstand des Radfahrervereins 1891 an,und er war aktiver Gardist in der Weilburger Bürgergarde.

1938: Reichspogromnacht in Weilburg
Die Reichspogromnacht brach mit voller Gewalt auch über die Weilburger Juden herein, die dem organisierten Überfall hilflos ausgeliefert waren. Am 10. November 1938, einem Donnerstag, wurden Wohnungen und ein Geschäft verwüstet: in der Limburger Straße, in der Bahnhofstraße und in der Niedergasse.
Vor allem die Niedergasse bot ein Bild der Verwüstung: Die Schaufensterscheiben des Geschäfts Arnstein/Wallach (Niedergasse 10) waren zertrümmert worden, Glassplitter, Schaufenster- und Ladeninhalt sowie Teile der Wohnungseinrichtung bedeckten die Straße. Auch auf dem rückwärtigen Hof des Anwesens Arnstein/Wallach lagen verstreut aufgeschnittene Betten, Porzellan und Möbelstücke. Bei der Familie Falk im Haus Niedergasse 6 wurde ebenfalls die Wohnungseinrichtung zertrümmert, die Täter stürzten Teile des Mobiliars in die Niedergasse und auf den rückwärtigen Teil des Anwesens.
Adolf Wallach wurde von einem unbekannten Täter ein Kronleuchter auf den Kopf geschlagen, er erlitt eine schwere Kopfverletzung. Und Max Falk wurde mit einem Tintenlöscher aus Marmor zu Boden geschlagen.
1933
Das Jahr 1933 war der Wendepunkt im Leben der Weilburger Juden, auch für Adolf Wallach. Bereits im Juni 1933 trat er – zusammen mit einem anderen Weilburger Juden, Hans Adler – als aktiver Gardist der Weilburger Bürgergarde ab: wegen des „Juden-Boykotts“. Der Alltag für die Weilburger Juden wurde ab 1933 zunehmend bedrückender, vor allem gekennzeichnet durch Diskriminierung und eine fortschreitende Isolierung und Vereinsamung. Hinzu kamen erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Auch das Geschäft Arnstein/Wallach verzeichnete ab 1933 erhebliche Umsatzrückgänge, denn Weilburger kauften hier kaum noch ein. Aber Kunden aus den umliegenden Dörfern hielten der alteingesessenen Weilburger Firma weiterhin die Treue und kümmerten sich wenig um die zahlreichen Boykottaufrufe im Weilburger Tageblatt. So konnte sich das Geschäft Arnstein/Wallach weiter behaupten und wurde erst Ende 1938 wegen der erzwungenen „Arisierung“ geschlossen.
1936 verstarb Siegmund Arnstein und wurde auf dem jüdischen Friedhof Weilburg beigesetzt.
KZ Buchenwald
Doch damit nicht genug. Am 12.11.1938 wurde Wallach in Weilburg auf Befehl der Frankfurter Gestapo verhaftet und in einem Mietwagen der Firma Schatz, Weilburg, in Begleitung Weilburger Polizeibeamte nach Frankfurt gefahren und dort der Gestapo übergeben. Anschließend wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht, er verblieb dort bis zum 16.12.1938. Für die Fahrt Weilburg – Frankfurt und zurück stellte die Firma Schatz der Weilburger Polizei 26,80 RM in Rechnung, dieser Betrag musste von Frau Wallach beglichen werden.
Es grenzt an ein Wunder, dass der schwerverletzte Wallach die mehrwöchige Haftzeit in Buchenwald überlebte. Nach seiner Entlassung begab er sich in ärztliche Behandlung, in den Monaten März und April 1939 wandte er jeweils ca. 1000 RM für die Begleichung seiner Arzt- und Krankenhausrechnungen auf. Es ist nicht bekannt, von welchem Arzt bzw. in welchem Krankenhaus Wallach behandelt wurde. Doch auch nach der ärztlichen Behandlung blieb Wallach, von der Kopfverletzung gezeichnet, ein kranker Mann.
Volksschule Weilburg
Irene Wallach war im November 1938 Schülerin des 8. Schuljahrs der Volksschule Weilburg, nach der Reichspogromnacht war ihre Schullaufbahn abrupt beendet. Der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung erließ am 15. November 1938 einen Erlass, nach dem Juden der Besuch „deutscher Schulen“ nicht mehr gestattet sei; alle zurzeit eine deutsche Schule besuchenden jüdischen Schülerinnen und Schüler seien „sofort zu entlassen“.
Entsprechend diesem Verbot besuchte Irene Wallach ab Mitte November 1938 die Volksschule Weilburg nicht mehr, sie war entlassen.
Auswanderungspläne
Bereits im Jahre 1937 wanderte die damals 16-jährige Margot Wallach in die USA aus. Es ist nicht bekannt, ab wann der Gedanke einer Auswanderung in der Familie Wallach feste Konturen annahm. Auch von Margots Auswanderung sind Einzelheiten kaum überliefert. Ihr Zielort in den USA war Chikago. Wo sie in Chikago unterkam, ist ebenfalls nicht bekannt.
Die übrigen Mitglieder der Wallach-Familie wollten Margot in die USA nachfolgen, die Vorbereitungen hierzu sind ab September 1938 nachweisbar. Nach den Schrecken der Reichspogromnacht betrieb die Familie ihre Auswanderungspläne mit verstärkter Anstrengung und hatte Anfang Dezember 1938 bereits 2000 RM für die Schiffspassagen in die USA bezahlt. Doch die Auswanderung kam aus unbekannten Gründen dennoch nicht zustande. Nach dem Kriegsausbruch 1939 schließlich war eine Auswanderung fast nicht mehr möglich, obwohl die Auswanderung von Juden offiziell erst im Oktober 1941 verboten wurde. Anfang 1940 beantragte Frieda Wallach eine Verlängerung der Auswanderungsfrist, die Gestapo stimmte zu, doch auch dieser letzte Versuch verlief ergebnislos. Adolf, Frieda und Irene Wallach verblieben damit in Deutschland.
